Meine Kritik:
Die Frage nach einem glücklichen erfüllten Leben
stellt sich jedem einzelnen. Die Rolling Stones haben es vielleicht am
schnoddrigsten auf eine Formel gebracht: You can´t always get what you
want! Der 79-jährige Regisseur Isao Takahata, Mitbegründer des
legendären japanischen Trickfilmstudios Ghibli, benutzte nun das älteste
Märchen Japans, „Die Mondprinzessin“, um seinerseits ein Fazit zu
dieser Frage zu ziehen. Das Ergebnis ist ein melancholisches
Meisterwerk, ein todtrauriges Resümee, das trotzdem Mut machen will,
seinen eigenen Weg zu gehen und zu finden.
Der gut
zweistündige Film liefert darüber hinaus den Beweis, dass ein
handgezeichneter Trickfilm eben nicht ein (Klein-)Kindergenre ist,
sondern ein eigenständiges Medium, das auf subtile Weise die Fantasie
und das Denken anregt. Das hatte Takahata bereits mit seinem Magnum
Opus, „Die letzten Glühwürmchen“ aus dem Jahre 1988, auf das
Eindringlichste vorgeführt. Zwei Kindern verhungern in den Wirren des
Nachkriegsjapan, weil die Gesellschaft versagt – dieser Film gehört zu
den beklemmendsten Antikriegsfilmen, zu den besten Filmen überhaupt.
Auch
mit Kaguya macht es Takahata dem Zuschauer nicht leicht, denn einfache
Muster und Erklärungen gibt es hier nicht, und zudem wird ein ganzes
Leben erzählt. Ein altes, kinderloses Ehepaar findet zu Zeiten des
feudalen Japan in einem Bambus ein Zauberwesen, das unter ihrer
Erziehung zu einem normalen Mädchen heranwächst. Mit den Kindern der
Umgebung verbringt Kaguya glückliche Tage, doch sorglos ist dieses
Aufwachsen nicht. Sie freundet sich zwar mit dem Köhlerjungen Sutemaru
an, doch die ausgelaugte Natur der Gegend zwingt die Menschen in die
Armut. Schließlich erhält Kaguyas Ziehvater auf magische Weise eine
große Menge Goldes, die er für den weiteren Lebensweg der Tochter
verwenden soll. Man zieht in die Stadt, engagiert Anstandslehrer, kauft
teure Kleider, kurz, man tut alles, was besorgte Neureiche ihren Kindern
angedeihen lassen. Kaguya sitzt in der Falle, denn in für die Zukunft
gibt es nur noch eins: die Heirat. Was heißt, sich so teuer zu
verkaufen, wie es irgendwie geht.
Mit Geld und
Schönheit reichlich ausgestattet, interessiert sich der Adel für diese
Prinzessin, ja selbst der Kaiser wird aufmerksam. Doch Kaguya findet
eine Form des Widerstands, sie schickt ihre Bewerber aus, um
unerreichbare, magische Dinge zu erringen, um selber frei zu bleiben.
Aber sie merkt bald, dass niemand dem Schicksal entfliehen kann.
Der
Film ist ein hinreißendes Plädoyer für alternative Erzählformen zum
derzeit gängigen Hollywood-Muster, er ist ein Schwanengesang auf die
Meisterwerke des Studio Ghibli, das nun seine Eigenproduktion einstellen
will, und ein Musterbeispiel für das hierzulande allzu unterschätzte
Medium der Animation. Und er bietet großartige, nachdenkliche
Unterhaltung, die noch lange nachwirkt.
Die Legende der Prinzessin Kaguya Japan 2014, 138 Minuten, R Isao Takahata, M Joe Hisaishi, Shinichiro Ikebe
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