Frage: Cars 2 ist ein sehr lustiger Film, der sich an ein jüngeres Publikum zu richten scheint, als die Vorgängerfilme von Pixar!
John Lasseter:
Pixar versucht immer hohe Ziele mit seinen Filmen anzustreben. Wir haben niemals daran gedacht, Filme nur für kleine Kinder zu drehen. Haben wir nie und werden wir nie! Sie sind immer für alle, Erwachsene wie Kinder. Alle unsere Filme. Auch wenn wir eine Fortsetzung drehen, versuchen wir immer etwas zu kreieren, das sich deutlich abhebt von seinem Vorgänger. Cars 2 hat uns sehr begeistert, weil dies ein gänzlich anderer Film ist, als alles, was wir vorher gemacht haben. Ein Spionage-Thriller! Und alle Pixar Filme haben Herz. Den Hauptpersonen gehört unser Herz, das ist die Freundschaft zwischen Lightning McQueen und Hook, ihre Geschichte. Und Hook fühlt, realisiert plötzlich, dass die Leute über ihn lachen und nicht mit ihm. Das war ein wichtiger Bestandteil bei der Entwicklung der Story. Die meisten Spionage-Filme haben kein Herz, aber wir machen ja auch einen Pixar-Film.
Aber als wir den Spionageteil entwickelten, - ich liebe übrigens Spionagefilme und habe mi im Vorfeld viele, viele angeschaut, war mein Hauptanliegen der Bösewicht, das wichtigste an einem Spionagefilm überhaupt. Ich liebe einen guten Bösewicht! Aber was macht einen guten Bösewicht aus? Was will der? Was sucht der? Das muss logisch nachvollziehbar sein. Die Weltherrschaft? Glaube ich nicht! Davon bekommt man nur Kopfschmerzen, wenn man sich damit dann rumschlagen muss. Wer will das überhaupt noch? Für mich muss das Sinn machen! Manchmal ist es nur blanke Gier. Es muss jedenfalls logisch sein und als wir zuerst daran dachten einen Spionagefilm in der Autowelt spielen zu lassen, war mir klar, dass es etwas sein musste, dass in der Cars Welt verankert ist. Kann man da einen guten Bösewicht finden? Und schließlich haben wir uns die Öl-Multis angeschaut. Die könnten doch möglicherweise Angst haben vor alternativen Brennstoffen. Das könnte sie überflüssig machen. Das bedroht ihren unglaublichen Wohlstand, ihre Gier, ihr Geld. Sie kölnnten plötzlich nichts mehr wert sein. Gäbe es alternativen Treibstoff, wäre er aus nachwachsenden Rohstoffen und würde sauber verbrennen, würden wir nicht alle danach greifen? Ich dachte mir, daraus kann man einen wirklich guten Bösewicht schaffen. Wir wollten kein politisches Statement dabei abgeben. Aber wir haben uns die reale Welt angesehen, wir suchten eine plausible innere Logik für den Bösewicht!
Frage: Wie fühlte es sich an, wieder im Regiestuhl Platz zu nehmen?
John Lassetter:
Oh, ich habe es geliebt, geliebt, geliebt! Nicht das ich meinen jetzigen Job nicht mag. Den mag ich auch, ich bin gerne Chef von Pixar und Disney Animation, ich bin gerne dabei neue Attraktionen für die Disneyparks auszuarbeiten. Das macht großen Spaß. Aber es ist halt schon etwas besonderes mal wieder Regie zu führen.
Mit den einzelnen Künstlern zu arbeiten und eine Geschichte sich auszudenken, davon ein Teil zu sein! Aber ich liebe einfach auch diese Charaktere und diese spezielle Autowelt, das ist etwas persönlich, da kommt der kleine Junge in mir wieder heraus, der daran Spaß hat. Und jetzt noch ein Spionagefilm dazu. Und die coolen Rennautos! Ich wollte immer schon Regie führen, das war mein Traum, aber es wird jetzt immer nur dann und wann möglich sein. Schließlich muss ich ja als Chef vom Ganzen alle Projekte beaufsichtigen und das macht natürlich auch Riesenspaß.
Frage: Haben sich denn Ihre Mitarbeiter überhaupt getraut, Ihnen, dem Chef, gegenüber Kritik zu äußern?
John Lasseter:
Aber absolut! Unsere Langfilme müssen innerhalb der Produktion unserem Braintrust, unserem Storytrust alle drei bis vier Monate vorgeführt werden. Wir machen das, das ist zwingend. Sowohl die von Pixar als auch die von Disney. Und dann wird darüber diskutiert. Das ist sehr wichtig. Und es ist egal, wessen Idee das ist. Die beste Idee wird genutzt um den Film besser zu machen. Da gibt es keinerlei Hierarchie der Ideen. Meine Ideen, meine Kommentare sind nicht mehr wert als die von Pete Docter, Andrew Stantons, Brad Birds oder von Enrico Casarosa, Pete Sohn oder Bob Peterson oder irgend jemand anderem. Die erfahren alle die gleiche Wertschätzung. Und nicht nur das, wir ermutigen jeden, der beim Studio arbeitet, die Animatoren genauso wie die Leute die im Cafe arbeiten uns ihre Anmerkungen zu geben über das was sie mochten und das was sie nicht mochten. Das ist insofern sehr wichtig, als das man dadurch ein Gefühl bekommt, was beim Publikum funktioniert und was nicht. Als ich Chef von Disney Animation wurde, war das Studio dort nicht so strukturiert. Das war damals ein Produzenten-Studio mit festgefügten Vorgaben und einer übergroßen Schicht von Produzenten. Das haben wir abgeschafft und den Künstler in den Mittelpunkt gerückt. Bolt war der erste Film, wo wir wirklich etwas bewegt haben. Es hat lange gedauert, bis die Künstler sich daran gewöhnt haben. Auch zu ihnen habe ich gesagt, dass meine Notizen nicht maßgeblich seien. Sie sollten nicht darauf hören. Schließlich hat es sich entwickelt und mit Rapunzel haben sie einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Das ist übrigens etwas, was ich so daran mag, beide Studios zu leiten. Die unterschiedlichen Traditionen. Disney wurde von Walt Disney gegründet und jeder dort im Studio ist stolz darauf dazu zugehören. Pixar ist von den Pionieren der Computeranimation gegründet worden und auch da ist man stolz, auf das, was wir dort geleistet haben. Ein Studio wird durch seine Mitglieder definiert. Und die Mitglieder sollten stolz auf die Leistungen des Studios sein, das fliesst dann wieder in die Geschichten ein, die sie dort erzählen wollen.
Die technischen Fortschritte bei Cars 2 sind enorm, vor allem die Wassersimulation sieht beeindruckend aus.
John Lasseter:
Das Wasser ist phantastisch, nicht wahr? Wir mussten unbedingt besseres Wasser entwickeln für diesen Film. Und unsere Effekt-Gruppe fanden diese neue Studie in der Welt der Mathematik, wo ein Wissenschaftler einen neuen Algorithmus gefunden hatte, um Ozeanwellen zu berechnen. Sie implementierten das in unser Wasser-System und die Fortschritte waren phänomenal. Eine neue Technik um Wasser zu simulieren. Die ganzen technischen Fortschritte bei Pixar werden von den Anforderungen getrieben, die die zu erzählende Geschichte fordert. Das macht das Arbeiten bei Pixar so aufregend. Bei jedem neuen Film gilt es Neuland zu betreten. Bei unserem nächsten Film, Brave, spielt die Geschichte im mittelalterlichen Schottland und einen Kostümfilm zu machen ist wirklich eine Herausforderung. Und all die Weiterentwicklungen, die wir bei Cars 2 erreicht haben, dort reisen wir ja wirklich einmal um die ganze Welt, all das fließt jetzt bei Brave mit ein. Dort gibt es jetzt zum ersten Mal bei Pixar eine weibliche Titelheldin, darauf haben wir lange, lange hingearbeitet. Die Kleidung war die größte Herausforderung dabei. Das ist sehr schwer überzeugend im Computer zu simulieren. Diese verschiedenen Schichten der Kleidung überzeugend darzustellen. Wir haben bei Pixar daran lange geforscht, bei den „Unglaublichen“ haben wir große Durchbrüche dabei erzielt. Unser Kurzfilm „Geri´s Game“ hatte große Vorarbeit geleistet, das floss alles in die Unglaublichen“ ein und Ratatouille hat das Ganze noch mal auf einen ganz andere Ebene gehoben. Aber jetzt bei „Brave“ gehen wir noch ein Stück weiter, aufgrund der Schichten. Die unterschiedlichen Stoffe vom dicken Bärenfell des Vaters über die dicke Wolle der Kilts bis hin zu den Seidenkleidern der Königin, der Mutter. Und alles mit den verschiedenen Schichten der einzelnen Kleidungsstücke. Und Sie glauben nicht, wie schwierig das Haar unserer Heldin herzustellen ist. Meine Frau hat auch lockiges Haar und ich hab ihr vorgehalten, wie schwierig es ist, das im Computer überzeugend zu animieren. Das ist eine Superherausforderung. Aber genau das ist es, was den Spaß bei Pixar ausmacht. Pixar will nicht einfach wieder und wieder das Gleiche machen wie vorher!
Das Gespräch führte Johannes Wolters
Das Gespräch führte Johannes Wolters
1 Kommentar:
Hallo, stimmt die Mailadresse indac@web.de nicht mehr? Wollte etwas vom Filmkritikerverband mailen, kam als unzustellbar zurück...
Andrea Dittgen, VDFK
dittgen@vdfk.de
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